Hallo allerseits,
was ist denn dieses Jahr los? Muß ich wirklich jeden Sneakfilm unter dem Durchschnitt der Sneaker bewerten? Vielleicht liegt es ja an mir.
Auch diese Woche kann ich mich den zumeist positiven Bewertungen hier nicht anschließen, liege sogar weiter weg als zuletzt. Für mich ist "The Lovely Bones" Peter Jacksons bisher schwächster Film und eine große Entäuschung - ein Film über weite Strecken ohne Handlung, der einen immer auf Armeslänge von den Charakteren fernhält und viel zu viel Zeit in einer "Zwischenwelt" verbringt, in der einfach gar nichts passiert, außer das die CGI Amok läuft.
Dabei beginnt der Film durchaus annehmbar; in der ersten halben Stunde werden die frühen 1970er und Susies Umfeld recht unterhaltsam und stimmig präsentiert, Saoirse Ronan spielt die Hauptfigur sehr nachvollziehbar und zugänglich als aufgeweckte, doch etwas schüchterne Teenagerin. Außerdem lockert etwas Humor die ansonsten durch die Kenntnis der bevorstehenden Tragödie etwas melancholische Grundstimmung auf.
Leider ändert sich das Bild mit der Ermordung Susies völlig; handlungstechnisch gerät der Film völlig aus der Bahn, sowohl im Dies- wie auch im Jenseits passiert lange Zeit einfach nichts mehr. Dabei schneidet das Hier noch leicht besser ab, da die verständlichen Reaktionen der Angehörigen zumindest skizziert werden; allerdings ist auch hier kein Faden oder Richtung zu erkennen. Wie man am Ende sehen kann, gibt es da auch gar keine Richtung: alle trauern in irgendeiner Form und sind irgendwann damit fertig, ohne daß es eine konkrete Entwicklung gäbe, die dazu hinführt. Das ist beileibe keine unrealistische Darstellung (Trauer und deren Bewältigung sind ihrer Natur nach oft irrational), aber es trägt eben auch nicht zwangsläufig einen Film.
Schlimmer allerdings sind die Szenen im Jenseits geraten, die in mir üble Erinnerungen an "What Dreams may Come" wachriefen. Wie in dem 1998er-Film mit Robin Williams ist auch Susies Post-Mortem-Welt eine quietschbunte Ansammlung von surrealistischen Bildschirmschonern, dazu passiert hier wirklich überhaupt nichts. Susie geht mal hier-, mal dorthin und sieht irgendwelche verzerrten Abbilder aus dem Diesseits, doch alles wirkt beliebig und bis auf eine zentrale Szene, in der sie die Identität ihres Mörders zu übermitteln scheint (obwohl der Film alles letztlich vage läßt), haben diese Szenen keinerlei Einfluß auf die laufende Handlung des Filmes, auch eine Charakterentwicklung hin zum mehrmals angesprochenen "Moving On" in den tatsächlichen Himmel vermochte ich nicht zu erkennen. Zudem werden selbst einfachste Informationen in geradezu epischer Breite an den Zuschauer vermittelt, so daß das Tempo des ohnehin ruhigen "Lovely Bones" in diesem Mittelteil fast völlig verloren geht. Hier wäre es besser gewesen, wenn Jackson uns mehr an der Trauer und den Auswirkungen auf die Hinterbliebenen, vor allem an deren Gehfühlswelt, hätte teilhaben lassen, so daß bestimmte Aktionen -vor allem der von Rachel Weisz gespielten Mutter - nachvollziehbarer würden. Auch der aufkommende Verdacht bei Susies Schwester wird einfach aus dem Off postuliert, anstatt als Entwicklung gezeigt zu werden.
Das alles hätte aber immer noch problemlos für einen durchschnittlichen Film gereicht - wenn da nicht die letzte halbe Stunde wäre, in denen Handlung und Präsentation fast kein Klischee auslassen und zudem durch die Auflösung der Zuschauer noch für seine Ausdauer bestraft wird. So erfüllt Susies Verweilen in der Zwischenwelt ja letztlich gar keinen Zweck, ihre Schlußszene mit ihrer verhinderten ersten Liebe wurde an Kitschigkeit nur noch durch ihr Schlußwort überboten, und das Ende der Geschichte um den Mörder hätte auch Monty Pythons 16-Tonnen-Gewicht nicht mehr alberner machen können. An dieser etwas expliziteren Stelle merkte man zudem, wie zahm der Film, der als zentrale Figur ja einen Serienkiller hat (die Sexualstraftraten aus der Buchvorlage greift der Film nicht auf), eigentlich ist - auch ein Grund, warum die emotionale Wucht des Films in keinem Verhältnis zur Materie steht.
Alles in allem hatte ich von Jackson, der in seiner Karriere ja eigentlich nie vor adäquater Darstellung von Greueltaten zurückgeschreckt ist und zudem schon vor anderhalb Jahrzehnten mit "Heavenly Creatures" bewiesen hat, daß er tragische, charakterlastige Geschichten zwischen Realität und Phantasie meisterhaft zu erzählen vermag, viel mehr erwartet als diese in mehrfacher Hinsicht blutleere, oberflächliche CGI-Fingerübung. Von daher kann ich dem Film leider nicht mehr als eine Vier geben.
Gruß
Kasi Mir