Ein Jahr nach "The Babadook" also wieder ein Independent-Horrorfilm - diesmal aus Amerika von Robert Eggers, der uns in die Zeit der ersten englischen Siedler in Amerika führt. Eggers hat für sein Regie- und Autorendebüt nach eigener Aussage historische Zeugnisse (vermutlich vor allem von Hexenprozessen) und die zu jener Zeit entstandenen Sagen und Mythen - die natürlich aus dem noch weithin unbekannten, fremden Land hinter der Küste entsprangen - verwendet.
Nun sind ja viele vor Ende des Films - einige bereits nach nur wenigen Augenblicken - gegangen; wie haben die im Saal verbliebenen den Film gesehen, und was hat die vorzeitig Heimreisenden zum Verlassen des Kinosaals bewogen? Wie haben Euch Erzählung, Darstellung, Kameraführung und Soundtrack gefallen? Was haltet ihr vom Storyverlauf von "The Witch"? Viele Fragen - mal sehen, wie viele hier darauf Antworten finden. Ihr könnt einfach auf diesen Beitrag antworten, Unterschiften in irgendein Buch sind dafür nicht notwendig ...
Re: #1109 The Witch (2016)
Verfasst: 2016-04-19 9:22
von noidea
Schlecht. Unfassbar schlecht!
Vielleicht kann man damit irgendwelche ultraorthodoxen Christen (gibt es sowas) zum Fürchten bringen.
Für Otto-Normal-Atheist war das aber an der Grenze des Schwachsinns entlang geschlittert. Man hofft die ganze Zeit es kommt noch was und dann kommt... Nichts!
5
Re: #1109 The Witch (2016)
Verfasst: 2016-04-19 9:33
von Roughale
Nun mögen mich ja noch mehr für komplett bekloppt halten, aber so ist es nun mal, ich oute mich hiermit, dass ich den Film sehr gut fand. Wie, reicht noch nicht, OK, ich lege einen drauf: Ich habe ihn innerhalb von 24 Stunden 2mal gesehen, denn Sonntag Abend lief der in meiner Anwesenheit auch auf den Fantasy Film Fest Nights. Bei der Zweitsichtung fiel mir zwar auf, dass die erste Hälfte sehr sprunghaft und zielführend erzählt war, was bei Nichtkennen der Geschichte nicht auffällt, aber ab ungefähr der Rückkehr Calebs war auch bei der Zweitsichtung so effektiv wie beim ersten Mal. Spannung kam durch die fiese Musik, das ungewohnte Setting und die unberechenbaren Handlungen der fundamentalistischen Christen (als was anderes kann man die fast nicht bezeichnen) und die Unsicherheit, ob man überhaupt die Realität sieht, oder der Filmemacher uns da an der Nase herumführt und zwischen verschiedenen Erzählpositionen hin und her wechselte und somit "mehrere Wahrheiten" existierten. Und genau auf dem letzten Punkt basiert meine Bewertung des Films, denn dieses Verwirrspiel kommt nicht vordergründig auf den Zuschauer zu, sondern so dezent, dass man es zur Not auch komplett übersehen kann, wodurch der Film dann auf manche Leute auch albern wirken kann (die Lacher im Kino fand ich aber trotzdem etwas peinlich!). Vielleicht liegt es auch an dem Umstand, dass ich mich mit der Hexenthematik öfter und intensiver beschäftigt habe, sogar mit den Prozessen von Salem und der Film basierte auf Zeugenaussagen aus solchen Prozessen. Persönlich hätte ich den Film etwas früher beendet, weil die letzten Sequenzen die Vielschichtigkeit der Inhaltsdeutung etwas aushebelt und den Inhalt zu sehr in eine Ecke rückt, aber komischerweise fand ich das Ende bei der Erstsichtung deutlich schlechter als in der Sneak. Diese kleine Fehler sollen aber nur ein kleines Minus ergeben, daher: 1-.
Re: #1109 The Witch (2016)
Verfasst: 2016-04-19 9:51
von emma
Bin absolut bei Rafael. Zum vertiefenden Verständnis (und um zu verstehen, wie akkurat die Darstellung war) hier ein großartiger Artikel aus dem New Yorker (obwohl die Salem Trials erst ca. 60 Jahre später waren):
"In isolated settlements, in smoky, fire-lit homes, New Englanders lived very much in the dark, where one listens more acutely, feels most passionately, and imagines most vividly, where the sacred and the occult thrive. The seventeenth-century sky was crow black, pitch-black, Bible black, so black that it could be difficult at night to keep to the path, so black that a line of trees might freely migrate to another location, or that you might find yourself pursued by a rabid black hog, leaving you to crawl home on all fours, bloody and disoriented. Even the colony’s less isolated outposts felt their fragility. A tempest blew the roof off one of the finest homes in Salem as its ten occupants slept. A church went flying, with its congregation inside.
A visitor exaggerated when he reported that New Englanders could “neither drive a bargain, nor make a jest, without a text of Scripture at the end on it,” but he was not far off. If there was a book in the house, it was the Bible. The early modern American thought, breathed, dreamed, disciplined, bartered, and hallucinated in Biblical texts and imagery. St. John the Baptist might well turn up in a land dispute. A prisoner cited Deuteronomy 19:19 in his own defense. When a killer cat came flying in your window—taking hold of your throat and crushing your chest as you lay defenseless in your bed—you scared it away by invoking the Father, the Son, and the Holy Ghost. You also concluded that your irascible neighbor had paid a call, in feline form." The New Yorker, Annals of Terror September 7, 2015 Issue
The Witches of Salem
Diabolical doings in a Puritan village
By Stacy Schiff
Der Film wird in seiner Wucht noch nachwirken. Oder besser: sollte...
Re: #1109 The Witch (2016)
Verfasst: 2016-04-19 10:13
von Deal
Auch ich sage: Ein großartiger Film, der immer besser wurde, um so länger man darüber nachdachte, was man da gesehen hat. Es war kein guter Film für eine Sneak. Beim FFF wurde er bestimmt anders aufgenommen und auch behandelt. Die Lachsalven aus den hinteren Rängen klangen auch manchmal sehr ratlos. Über einen Slasherfilm kann ich so lachen, weil ich ihn nicht ernst nehme. Hier war aber etwas anderes unterwegs, was wohl viele im Montag-Feierabend-Modus überforderte. Hätten wir den Film im Abaton oder 3001 gesehen, wäre die Stimmung des Filmes bestimmt noch besser rübergekommen. Endlich traut sich jemand mal wieder, etwas anderes zu machen. Großartig.
Re: #1109 The Witch (2016)
Verfasst: 2016-04-19 10:29
von Roughale
Deal hat geschrieben:...Die Lachsalven aus den hinteren Rängen klangen auch manchmal sehr ratlos. Über einen Slasherfilm kann ich so lachen, weil ich ihn nicht ernst nehme. Hier war aber etwas anderes unterwegs, was wohl viele im Montag-Feierabend-Modus überforderte. Hätten wir den Film im Abaton oder 3001 gesehen, wäre die Stimmung des Filmes bestimmt noch besser rübergekommen. Endlich traut sich jemand mal wieder, etwas anderes zu machen. Großartig.
Teilweise mag das comic relief gewesen sein, wenn man das Gesehene nicht verkraftet, oder eventuell ein wenig Unreife, da finde ich vorzeitiges Gehen schon etwas reifer. Mich hat es nicht so gestört, aber das mag daran li9egen, dass ich den Film kannte und in regelrecht perfekter Umgebung auf den FFF Nights sehen konnte...
PS: Ich kann absolut verstehen, wenn man den Film nicht mag, das ist bei solch Thematik und im Besonderen bei der nicht kommerziell ausgerichteten Machart absolut verständlich, da legt man es ja fast drauf an, von einigen nicht gemocht zu werden
Re: #1109 The Witch (2016)
Verfasst: 2016-04-19 16:18
von JanBW
"THE VVITCH is a gorgeous, thoughtful, scary horror film that 90% of the people in the theater with you will be too stupid to understand."
Brian Keene on Twitter https://twitter.com/briankeene/status/7 ... 2275952641
Re: #1109 The Witch (2016)
Verfasst: 2016-04-19 18:49
von rou
JanB hat geschrieben:"THE VVITCH is a gorgeous, thoughtful, scary horror film that 90% of the people in the theater with you will be too stupid to understand."
Brian Keene on Twitter https://twitter.com/briankeene/status/7 ... 2275952641
Eine sehr arrogante Art, andere Meinungen zu ignorieren. "Du magst den Film nicht? Du bist dumm." Der Tweet sagt mehr über den Autor aus als über die 90% des Publikums. Arm.
Re: #1109 The Witch (2016)
Verfasst: 2016-04-19 22:52
von waldorf
Schon die zweite Einstellung zeigte die Tendenz auf: wer auf eine nichtssagende Landschaft eine so überdramatische Musik legt, hat vom Dramatik-Handwerk offenbar Null Ahnung; stattdessen gibt es "Dies ist ein Horrorstreifen" per Vorschlaghammer. Das wiederholte sich mehrfach. Wer darauf steht, mag vermutlich auch Glutamat-Ketchup als Vorspeise zum Hamburger...
Dann wurde es aber richtig krude, unerträgliches, ausgewalztes Frömmelgeschwafel, Zeit zu gehen.
Re: #1109 The Witch (2016)
Verfasst: 2016-04-20 8:57
von noidea
Und ich dachte schon ich bin der einzige, der den Film schlecht fand...
BTW: Endlich mal wieder eine echte "Diskussion" hier! *missingthegoodoldtimes*
Re: #1109 The Witch (2016)
Verfasst: 2016-04-20 10:01
von emma
rou hat geschrieben:
Eine sehr arrogante Art, andere Meinungen zu ignorieren. "Du magst den Film nicht? Du bist dumm." Der Tweet sagt mehr über den Autor aus als über die 90% des Publikums. Arm.
Na ja, man muss solche Aussagen ja nicht gleich wortwörtlich nehmen... ich neige auch gerne zu Übertreibungen, um etwas hervorzuheben. Weil, ja, man kann den Film auch verstanden haben und trotzdem schlecht finden.
Den einzigen Vorwurf, den ich dem Film mache ist
a) dass er als Horrorfilm vermarktet wird und
b) dass er mit dem Ende mehr Verwirrung stiftet und für mich ein... Geschmäckle *) hinterläßt.
Spoiler:
Spoiler:
(das Ende war für mich nicht der Beweis, dass es die Hexe die ganze Zeit wirklich gab sondern spielte sich imho in der Vorstellung ab, wie so vieles andere auch)
*) wann wird das eigentlich mal zum Unwort des Jahres? Wenn es nur nicht so gut passen würde!
Re: #1109 The Witch (2016)
Verfasst: 2016-04-20 10:06
von emma
waldorf hat geschrieben:Schon die zweite Einstellung zeigte die Tendenz auf: wer auf eine nichtssagende Landschaft eine so überdramatische Musik legt, hat vom Dramatik-Handwerk offenbar Null Ahnung; stattdessen gibt es "Dies ist ein Horrorstreifen" per Vorschlaghammer.
Weswegen auch sehr viele gelacht haben. Was für mich völlig am Thema vorbei ging. Und an der Stelle passt das von JanB gepostete und Rou geächtete Zitat sehr gut
Re: #1109 The Witch (2016)
Verfasst: 2016-04-20 11:33
von Kasi Mir
emma hat geschrieben:Weil, ja, man kann den Film auch verstanden haben und trotzdem schlecht finden.
Eben deswegen finde ich solche überspitzten Aussagen immer problematisch - zumal es ein Holzhammer-Argument ist (ich habe ganz ähnliche Kommentare vor drei Jahren z.B. auch von "Man of Steel"-Verteidigern gehört). So etwas würde ich mir nie zu eigen machen.
Was den Film angeht, so gehöre ich nicht ganz zu der oben angegebenen Kategorie - aber mit einer 3- bewerte ich den Film halt auch deutlich kritischer, obwohl ich meine, ihn durchaus verstanden zu haben.
Dabei fand ich das Setting, die schauspielerischen Leistungen der (zu mehr als der Hälfte ja noch recht jungen) Darsteller, und auch die ruhige Inszenierung sehr schön - mal ganz abgesehen davon, daß sie wirklich eine erstklassige Location für den Film gefunden haben, die die Einsamkeit der ersten europäischen Siedler in Amerika (der Film spielt ja gerade mal eine Generation nach der Gründung von Jamestown) glaubwürdig widerspiegelt. Sehr gefallen hat mir auch der praktisch völlige Verzicht auf in diesem Genre (auch wenn "The Witch" kein Horrorfilm im modernen Wortsinne ist, so ist er doch ein enger Verwandter - ich würde es vielleicht Psycho- oder Okkultismus-Thriller nennen, und dort sind die auch oft vorhanden) üblichen "akkustischen Ausrufezeichen" (Jump Scares). Für etwa eine Dreiviertelstunde hat mir der Film mit kleinen Abstrichen gut gefallen; der langsame, doch unaufhaltsame Abstieg der strenggläubigen, aber ansonsten recht normalen Familie gehört zu den intensiveren Erlebnissen der jüngeren Sneakgeschichte.
Warum ich dann doch um eine ganze Note runtergegangen bin, läßt sich schwer ohne Preisgabe der Wendungen des Film erläutern, deswegen klappe ich das mal ein:
Spoiler:
Ich stimme emma dahingehend zu, daß der Film beim Schluß dahingehend interpretierbar ist, daß sich Wahnvorstellungen der traumatisierten (und ja religiös entsprechend vorbelasteten) Tochter Bahn brechen. Wenn der ganze Film so ambivalent gehalten gewesen wäre, hätte ich daran wenig auszusetzen gehabt - obwohl ich die Schlußszenen mich Schaft und Hexensabbat für überflüssig und over-the-top halte und es besser gefunden hätte, wenn der Film mit der erschöpften Tochter am Familientisch oder meinetwegen nach einer kurzen Antwort des "Schwarzen Schafs" geendet hätte.
Es gibt aber mehrere Szenen, in denen entweder gar keine Protagonisten anwesend sind, oder mehrere auf einmal, die dann kollektive, gleichlaufende Wahnvorstellungen haben müßten. Daraus schließe ich, daß es irgendjemand - ob nun übernatürlich oder nicht - tatsächlich auf die Familie abgesehen hatte; für nicht-übernatürliche "Fremdeinwirkung" fehlt im Film aber weitere Unterfütterung. Das paßt für nicht so recht zusammen, beziehungsweise hätte sich der Film mehr Mühe geben müssen, die verschiedenen Erklärungsvarianten gaubwürdig darzustellen.
So kann ich zwar viele Erklärungsansätze, von komplett übernatürlich bis hin zu komplett eingebildet, in den Film hineininterpretieren - die nach Occam's Razor stimmigste Erklärung ist aber diejenige, die die Schlußszenen real werden ließe - das hieße, daß der Film letztendlich die Geschichte einer ultrareligiösen Familie erzählt, die ausgerechnet dem Teufel zum Opfer fällt. Das ist mir dann doch zu billig, und hat mich umso mehr gestört, als daß nur ein paar kleine Änderungen notwendig gewesen wären, um den Film mehr im Vagen zu halten. Das hätte mir deutlich besser gefallen, und deswegen kann ich dem über weite Strecken gelungenen Film eben nicht mehr als eine 3- zubilligen.
Ich kann jedoch durchaus verstehen, wenn andere über diese Details, an denen ich mich festbeiße, eher hinwegsehen können; ich werde sie deswegen nicht gleich mit 'wer so denkt, mag auch "Transformers" oder "Man of Steel"' verunglimpfen.