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#1004 Fruitvale Station

Verfasst: 2014-04-14 23:39
von waldorf
Leitfaden "wie mach ich einen richtigen Scheißfilm" :
Dokumentarisch ist immer knorke, daher ist "based on true events" oder so natürlich mandatorisch. Am besten gleich das Ende noch mit nem Handyvideo vorwegnehmen, wir wollen den Zuschauer ja nicht mit Spannung nerven.

Also ein Drehbuch brauchen wir nicht. Wir nehmen ne Wackelkamera (spart Zeit weil Stativaufbauen ist lästig) und Geld (Steadycam kostet nur) und halten sie auf irgend eine Familie drauf. Amerikanscher Westküstendurchschnitt, viel black, etwas Latino, Prekariatsarbeitsverhältnisse, ya know. Natürlich ne Knackiszene dabei, Vereinigte Staaten von Knastistan wo die Gesetze vermutlich von der privatisierten Knastlobby geschrieben werden um die Einsassen=Umsätze zu steigern, paßt schon.

Die Leute labern belangloses Zeug, ab und zu mal den Ton etwas runterdrehen und einen billigen sphärisch-verhallten Gitarrenschrammelsoundtrack drunter. Dazwischen autofahren, der Brotha zieht sich natürlich lautstark Primitiv-Hood-Rap rein.
Dann wird mal U-Bahn gefahren, Gelegenheit schön lange auf den Zug draufzuhalten, von Türschließen bis zu den verschwindenden Rücklichtern in einer Einstellung, das ist sicherlich Kunst. Da bietet es sich natürlich an, gleich noch nen langen Take von nem Zug in der Dunkelheit, jetzt (handwerklich fehlerhaft, who cares) in der anderen Richtung, zu schießen.
Wenn die gute Stunde endlich rum ist können wir zusammenhanglos irgend eine Zufallssituation reinschneiden um endlich nen Grund haben zum Ende zu kommen. Der unaufmerksame Zuschauer wäre jetzt vor den Kopf gestoßen, weil sowas keine Story ist, aber hey, dazu war ja das Handyvideo am Anfang.

Umsetzung des Leitfadens in Fruitvale Station? Perfekt. Er ist auch politisch korrekt, da er nur auf die christlich-milde Tränendrüse drückt, anstatt den Dauerskandal der überbrutalisierten und kaum gezügelten US-Polizei und der zweifelhaften Aufarbeitung ernsthaft zu thematisieren. Dafür hätte der Film mit dem Polizeiopfer anfangen, nicht aufhören müssen. So war der Streifen einfach nur eine gefühlt vierstündige Zeitverschwendung. Ärgerlich, daß ich mir das bis zum Abspann (ich Ende im dramaturgischen Sinne gabs ja nicht) angetan habe.

Re: #1004 Fruitvale Station

Verfasst: 2014-04-15 0:36
von noidea
waldorf hat geschrieben:Leitfaden "wie mach ich einen richtigen Scheißfilm" :
Das trifft es ziemlich gut.
Mit gutem Willen eine 4

Re: #1004 Fruitvale Station

Verfasst: 2014-04-15 9:16
von Roughale
In der ersten Hälfte wär ich wahrscheinlich auch zu einem ähnlich harten Urteil gekommen, da war einfach zuvikel Leerlauf, der Rest des Films zu offensichtlich und das Aufbauen des späteren Opfers zu einem fast vorbildlichen Gutmenschen (15 Minuten mehr und es hätte *pling* gemacht und ein Heiligenschein hätte sein Haupt geziert :mrgreen: ) lies Schlimmes befürchten. Aber ganz so schlimm kam es nicht, kein überdeutlich erhobener Zeigefinger, kein extrem böse dargestellter Cop (die waren einfach nur ein Haufen ungebildeter Trottel in meinen Augen) und gutes Schauspiel (besonders die Mum nach seinem Tod). Dann noch die Bilder der Gedenkfeier mit der echtgen Tochter, das war schon unangenehm hart... Somit erfüllte der Film seine dokumentarische Aufgabe eigentlich ganz ordentlich. Leider bin ich eher so geschaffen, dass ich in's Kino gehe (oder mir sonstwie einen Film ansehe), um der Realität etwas zu entfliehen - wurde nicht sogar zu diesem Zweck Film überhaupt erfunden? Whatever - gutmütig gebe ich eine 3.

Re: #1004 Fruitvale Station

Verfasst: 2014-04-15 12:48
von Smiley
Setzen 6!

Zu zäh und zu langweilig. Zumindest die erste Hälfte. Auf die zweite habe ich verzichtet.

Re: #1004 Fruitvale Station

Verfasst: 2014-04-17 11:06
von cantarina
Dear Waldorf,
Danke! Das war mal ne schöne Gebrauchsanweisung und die wurde auf jeden Fall super und voll korrekt befolgt.
Was ich Feigling ja nicht ganz abschließend beurteilen kann, da ich bereits nach ca. 20 Minuten die Flucht ergriffen habe. Ja, gerade die Sache mit dem Zug, die hat mich bewogen, mich nun auch mal fortbewegen, denn war dies nicht der dritte Film in Folge, in dem ein Zug eine dominante Rolle spielt?! Oder ist das jetzt Pflicht, stehen die Filmemacher unter Zugzwang?!

Anyway, diesmal fiel auch mir auf, dass die Musik besonders scheiße war. Das Zeug, das Oscar in seinem Uto voll aufgedreht hat, war so lahm und pseudo, da hätt er auch nicht lauter drehen müssen, yak! Weil richtig geiler Sound dieser Art wird immer besser, wenn du den laut aufdrehst, dieser hier dagegen nur Panne und lau.

Ich will jetzt Muppets!

Definitiv.

Pppppplease!