Hallo allerseits,
emma hat geschrieben: Jetzt muss ich nur noch eine Zeitmaschine finden, mit der ich zur Münchner OV Sneak vom letzten Freitag reisen kann, um mir die dazu passende Doku "We Steal Secrets: The Story of WikiLeaks" anzusehen.
emma, Reisen zurück in der Zeit sind wesentlich komplizierter als Reisen ins "Studio"-Kino, das den Film in dieser Woche ganz normal (und zweimal sogar in OV) zeigt.
Im pbrigen kann ich mich meinen Vorrednern im Wesentlichen anschließen; "The East" ist ein zuweilen intensives Charakterdrama, das trotz der nicht so neuen Geschichte (Agenten, die sich im Laufe der Arbeit mit ihren Beobachtungsobjekten zu identifizieren und ihre eigenen Einstellunen zu hinterfragen beginnen, gab es ja schon häufiger auf der Leinwand) frisch und unverbraucht wirkt und dessen Stärke tatsächlich die Charakterzeichnung ist. Dabei macht es der Film über weite Strecken sich und den Zuschauern nicht einfach, seine persönlichen Sympathien zu positionieren, da alle Beteiligten kritisch beleuchtet werden. Leider wird dieser gute Eindruck durch den Schluß doch etwas verwässert, so daß ich am Ende eine 2- vergebe.
Das von Regisseur Zal Batmanglij und der Hauptdarstellerin Brit Marling verfaßte Drehbuch läßt sich erfreulicher zunächst einmal Zeit, die Schwierigkeiten, zu einer Aktivistengruppe wie "The East" überhaupt erst einmal Kontakt aufzubauen.
Der Hauptteil des Films zeigt dann die Agentin Sarah, wie sie in der Gruppe aufgenommen und nach und nach mehr eingebunden wird. Dabei zeigt sich, daß "The East" kein homogene Gruppe oder eine Sekte ist (auch wenn einige der Rituale etwas esoterisch daherkommen), sondern die Mitglieder durchaus divergierende Motivationen und Ansichten über die "Jams" haben, die die öffentlichkeitswirksamen Aktionen der Gruppe darstellen und im Wesentlichen aus Racheaktionen an Verantwortungsträgern von Großkonzernen bestehen, die für Profit Menschenleben auf Spiel setzen. Sarah ist hin- und hergerissen zwischen erkennbarer Abneigung für die kalte, menschenverachtende Art, mit der die Großkonzerne (und auch ihre eigene Firma) zumindest bildlich über Leichen gehen, und schweren moralischen Bedenken ob des Modus Operandi der Gruppe, die im Kern Böses mit Bösem vergelten will. Daß ihre Beziehungen zu den Aktivisten nach und nach immer enger und persönlicher werden, macht Ihr Dilemma nur noch deutlicher. Man wird hier angeregt darüber nachzudenken, wie man selbst an ihrer Stelle entscheiden würde, während der Film immer deutlicher und drängender auf den unausweichlichen Punkt zuläuft, an dem Sarah sich grundsätzlich entscheiden muß.
Leider kann der Film diese Dichte am Schluß nicht mehr völlig durchhalten; während ich Sarahs Entscheidung durchaus nachvollziehen kann, so finde ich die bereits in den Abspann hineingestreuten Handlungsfragmente, die diesen Weg quasi bestätigen und als richtig untermauern, irgendwie unpassend, einfach zu simpel. Ich halte die Problemlosigkeit, mit der Sarah ihren Plan letztlich umsetzt, für wenig realistisch und hätte mir hier ein offeneres Ende gewünscht. Daneben gibt es noch kleinere Ungereimtheiten bei den technischen Aspekten der "Jams", bei denen die Aktivisten meist deutlich erkennbar auftrete oder sogar persönlich bekannt sind, so daß die Gruppe eigentlich auch ohne verdeckte Ermittlung relativ schnell zu identifizieren und auszuspüren sein müßte. Die Stärken von "The East" liegen aber eher in der Ausarbeitung und Darstellung realistischer Figuren, was umso besser gelingt. Daher kann ich den Film bedenkenlos zur Ansicht empfehlen - zumindest für Leute, die auch mit etwas ruhigerem als "Man of Steel" zurechtkommen.
Gruß
Kasi Mir