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#741 Slumdog Millionaire
Verfasst: 2009-03-03 11:05
von Roughale
Emmas The Dark Knight 2 (siehe Gran Torino Thread
) - naja, der Vergleich hinkt, weil die Filme einfach zu unterschiedlich sind und dieser Film jetzt nicht ganz so massentauglich sein mag, wie das Comic-Epos. Aber ein Meisterwerk ist es allemal, für mich zumindestens, mal kurz durchleuchtet:
Die Thematik ist hart, es wird Elend gezeigt, Folter, Armut, Hunger, Tod - das ganze Programm. Das ist schon hart genug, aber die Mischung mit komischen Momenten, ultra-bunten Bildern und überhaupt alles Konträre zu diesem Elend unterstreicht dieses umsomehr - und es funktioniert genauso gut, wie der Mix aus den verschiedenen Kulturen. Dieser Kulturmix beinhaltet vordergründig drei, zum einen die Massen TV Thematik mit einer der populärsten Quizsendungen weltweit (aber hier mit einem Stinkstiefel als Moderator), dann die indische Kultur, stark angereichert mit Bollywoodelementen und die klassische Generationsgangstersaga, es gab mehrere Momente, in denen ich an Grosswerke, wie Once Upon A Time in America erinnert wurde aber (nie auf Plagiatebene!) - toll!
Optisch meisterhaft eingefangen, da hat der Film viel vorzuweisen.
Regisseur Danny Boyle zeigt mal wieder, dass er nicht zu den Regisseuren zu zählen ist, die immer dasselbe inszenieren, Trainspotting, The Beach , 28 Days Later und Sunshine zeigen das deutlich (habe ich einen vergessen?).
Für mich ein Meisterwerk, das eine glatte 1 verdient.
Danke auch an das brav leise Publikum!
Re: #741 Slumdog Millionaire
Verfasst: 2009-03-03 13:06
von Lino
Ich habe in einer leisen Vorahnung extra Handschuhe angezogen, damit mein Klatschen nicht zu laut wird
Der Film war wirklich großartig, Stellenweise schockierend (ob sich wohl Leute aufregen, dass Indien in den Dreck gezogen wird?) und ich habe am Ende erwartet, dass der Hauptdarsteller im Bahnhof überfahren wird (jeden Tag sterben im Mumbaier S-Bahn Netz (bzw dem indischen Äquivalent dazu) 10 Menschen) - die Tanzeinlage am Ende hätte nicht sein müssen, trotzdem bekommt der Film von mir eine wohlverdiente 1.
Re: #741 Slumdog Millionaire
Verfasst: 2009-03-03 13:22
von emma
Ich habe den Film das erste mal in Colorado gesehen, in einem süßen kleinen Kino. Ich wusste nur, dass der Film von Danny Boyle ist und dass ganz viele Inder mitspielen, die keine Sau kennt. Mehr nicht. Das war genau richtig! Mehr darf man auch nicht wissen! Die ganzen Infos, Inhaltsangaben, Trailer, Vorabinfos machen viel kaputt. Ich bin froh, damals den Film ohne Beeinflussung selbst entdecken zu dürfen.
Aber auch beim zweiten mal war ich überwältigt. Habe Gänsehaut bekommen. Leute, kauft Euch den Soundtrack, man sieht den Film nochmal vor dem geistigen Auge vorüber ziehen. Und wieder. Und wieder. Und wieder...
Immer noch verzaubert: die e.
(die weder Bollywood sieht noch mag
und trotzdem den Abspann ganz phantastisch & genial findet. Jai Ho!)
Re: #741 Slumdog Millionaire
Verfasst: 2009-03-03 13:33
von Muuhkuuh
Slumdog Millionaire ist nicht auf dem Niveau von manch anderem Film mit so vielen Auszeichnungen, aber schlecht ist er sicher nicht…
Aber was mich ernsthaft gestört hat war der, wenn auch schwache, Eindruck vom „Slum-Tourismus“ auch wenn der Film sicher nicht darauf abzielt… Man merkt schon kleinere Schönungen und Bollywood/Hollywood Einschläge während des Films.
Am Ende ist es halt ein Märchen und verliert was das Aufzeigen von gesellschaftlichen Missständen angeht etwas an Glaubwürdigkeit. Gleichzeitig wäre der Film wohl nicht auszuhalten wenn er wirklich so brutal und bitter die Slums beschreibt, ohne sie im Nachsatz wieder zu schönen.
Also es passieren heftige Sachen, aber recht schnell danach sind zumindest die Hauptdarsteller wieder glücklich.
Meiner Meinung nach ist es an sich ein guter Film, der aber auch Zuschauern die nicht zu lange mit traurigem Kram belastet werden wollen, gefallen will. Aber vielleicht ist das auch ein wenig die „Magie“ des Films, man hat nie das Gefühl den Film aushalten zu müssen, wird stattdessen von den etwas sehr sorglosen Hauptdarstellern durch die bittere Szenerie getragen. Es mag durchaus makaber klingen, aber man wird während des gesamten Films unterhalten und, zu einem nicht unerheblichen Anteil, amüsiert. Ob es angemessen ist eine solche Thematik so locker aufzugreifen, oder ob es sich hier um Verwischung und Augenwascherei, egal ob über- oder untertrieben, mag der Knackpunkt für die Bewertung eines solchen Filmes sein.
Im Fazit ist Slumdog Millionaire für mich ein unterhaltsamer Film, der auch Kritik/Aufmerksamkeit erzeugen will, aber doch erstaunlich seicht bleibt. Ein guter Film? Ja, sicher. Einer für 8 Oscars? Nein, damit zeigt die Akademie nur wie sehr sie ihre Auszeichnungen mittlerweile nurnoch an „Zuschauerfreundliche“ Filme vergibt. Wertvollere Filme gibt es sicherlich massenweise.
Re: #741 Slumdog Millionaire
Verfasst: 2009-03-03 13:55
von emma
Muuhkuuh hat geschrieben:Nein, damit zeigt die Akademie nur wie sehr sie ihre Auszeichnungen mittlerweile nurnoch an „Zuschauerfreundliche“ Filme vergibt. Wertvollere Filme gibt es sicherlich massenweise.
Die alte leidige Diskussion - warum muss das eine das andere ausschliessen? Was nützen wertvolle Filme wenn sie keiner sieht und damit keinen erreichen? Slumdog wollte auch keiner sehen, war auch als nicht zuschauerfreundlich und mit einem bösen R eingestuft, wurde mehr durch Mundpropaganda in die Oscar (und andere Preis-)auswahl gepuscht. Laut
imdb.com Trivia sollte der Film sogar direkt in den DVD Verleih gehen. Umso schöner, dass ausgerechnet dieser Film so abgesahnt hat. Gönne ich ihm! Weil jetzt wird er gesehen...
Was die Slumdarstellung angeht: ich hatte gestern zwei indische Freunde dabei, beide aus verschiedenen Teilen Indiens, einer noch dort lebend. Sie haben dem Film große Authenzität attestiert. Man darf auch nicht vergessen, dass dies kein Dokumentarfilm ist. Soviel dazu.
Re: #741 Slumdog Millionaire
Verfasst: 2009-03-03 14:11
von Marko mit K
Aaaah, wer bei der Sneak aussetzt, den bestraft das Leben.
Re: #741 Slumdog Millionaire
Verfasst: 2009-03-03 14:21
von Roughale
Endlich mal wieder eine Diskussion!
Erstmal: MUHKUUH - geiler Name!!!
Genau die Mischung ist ja das, was den Film zu dem Besonderen macht, wenn er in Michael Moore Zeigefinger-hoch Stil inszeniert worden wär dann hätte den kaum einer zuende gesehen. Daher habe ich ihn so hoch bewertet, eben weil es gelingt in der Mischung die harte Themen so zu verarbeiten, dass sie nie ins Lächerliche gezogen werden und trotz aller Unterhaltung zum Nachdenken anregen, grosses Lob von mir dafür! Der Slum-Tourismusvorwurf, der durch die Internetblogs wie ein Lauffeuer sich ausbreitete und nachgewiesenermassen aus dem lager der Konkurenz im mOscarkampf kam, war für mich überhaupt nicht vorhanden, der wurde meiner Meinung nach künstlich reininterprettiert.
Und die leidliche Oscar-berechtigt-oder-nicht Diskussion ist hirnrissig, man kann sich aber freuen, dass so der Film die Aufmerksamkeit bekommt, die er verdient, was dazu geführt hat - keiner weiss es, mir ist immer noch schleierhaft, wie ein Rotzfilm wie The English Patient mit Oscars regelrecht zugeschissen wurde, wobei höchstens der Kamera-Oscar berechtigt war (grösster Hohn der Best Actor Oscar für Ralph Fiennes - der hätte eher "best a actor lying around covered in a full mask for most of the time Oscar" heissen müssen
), oder die Oscars für den Schrott A Beautiful Mind... Aber irgendwie vielleicht auch eine Geschmacksfrage und leider ein finanziell hochwichtiger Preis...
Re: #741 Slumdog Millionaire
Verfasst: 2009-03-03 14:58
von noidea
Ich persönlich fand den Film auch gut. Allerdings hat er mich nicht so berührt wie "Gran Torino" letzte Woche. Aber das ist rein persönlicher Geschmack. Der Moderator war für mich zu sehr überzeichnet und es war zu offensichtlich worauf es hinauslaufen würde. Weniger wäre hier etwas mehr gewesen... ich liebe so kleine "Aha"-Effekte in Filmen.
Gut fand ich wiederum, das Teile des Films in hindi gedreht wurden, was die authentizität unterstützt
Von mir gibs ne 2+... denke aber das es ein Film ist, der noch reifen kann und evtl. bei noch maligem Anschauen besser abschneidet... zumindest bei mir
Re: #741 Slumdog Millionaire
Verfasst: 2009-03-04 13:32
von katsumot
zur darstellung von misständen und den wiedersprüchen....das ist indien!
luxus und armut nahe bei einander! eben so glück, unglück, ungerechtigkeit und gewalt. gerade körperliche gewalt ist im öffentlihcen leben für unsere verhältnisse sehr present.
auf der einen seite ehlend, auf der anderen das bunte strahlende leben!
die wiedersprüchlichkeit, dramatik zeichnen das land garnicht so verkehrt, wie man es vermuten mag, wenn man noch nie da war. es gibt an weniger stellen überzeichnungen, als man es vermuten mag.
das ist die magische mischung, warum dieses land eine so starke anziehung entwickelt.
entweder man will da gleich weg oder es entwickelt sich eine ewige liebe dazu.
in indien ist slum tourismus so eine sache, eine so grosser teil der bevölkerung lebt ins slums oder unter ähnlichen bedingunen, da muss man sich fragen, ob man sich nicht selbst belügt, wenn man gerade diese nicht auch auf sich wirken lässt.
die mischung aus hindi und englisch ist übrigens typisch für einen bollywood film, genauso wie ein soundtrack mit tanzeinlage;) der film ist ein sehr gut auf den westlichen geschmack angepasster bollywood film, und so muss man ihn auch verstehen.
habe selbst ein halbes jahr in indien gelebt und der film hat mich gefesselt, fast dauer gänsehaut
also von mir eine 1
Re: #741 Slumdog Millionaire
Verfasst: 2009-03-04 15:36
von Roughale
Riesen Dank an katsumot für den etwas tieferen Einblick in die indische Welt, ich kenne sie nur oberflächlich aus der Distanz, aber das Gefühl war die ganze Zeit da, dass in dem Film so gut wie alles passt, aber das sieht man ja auch an dem grossen Zuspruch, den der Film jetzt auch bei uns in der Sneak offensichtlich gefunden hat - toll!
Das mit dem angepassten Bollywopdfilm stimmt und ich bin für die Anpassung dankbar, nicht mittendrin zusammenhangslose Tanzeinlagen ertragen zu müssen, die sind für mich schwer erträglich, aber am Ende, wie hier war es einfach unumgänglich und dort auch absolut genial umgesetzt, indem man auch die Kinder nochmal tanzen lässt. Irgendwie hat der Film alles richtig gemacht.
Re: #741 Slumdog Millionaire
Verfasst: 2009-03-04 18:38
von cloudyskies
bin ich die einzige, die vom film nicht so begeistert ist?
technisch gesehen und von den schauspielern ist slumdog millionaire sicherlich ein guter film, aber er hat mich persönlich nicht wirklich angesprochen...diese liebesgeschichte fand ich ziemlich nervig und auch etwas kitschig. die bollywood-einlage zum schluss fand ich absolut furchtbar. sorry, aber sowas kann ich nicht ertragen.
und besonders anspruchsvoll war er auch nicht...
mich wundert, dass so ein film den oscar gewinnt, ein film wie "gran torino", der mich tief beeindruckt hat, aber nichtmal nominiert wird...
Re: #741 Slumdog Millionaire
Verfasst: 2009-03-05 11:07
von noidea
cloudyskies hat geschrieben:mich wundert, dass so ein film den oscar gewinnt, ein film wie "gran torino", der mich tief beeindruckt hat, aber nichtmal nominiert wird...
Das hat mich ehrlichgesagt auch gewundert... Ich dachte ja zuerst, dass Gran Torino zu spät angelaufen ist und somit erst nächstes Jahr berücksichtigt wird. Dem war aber offenbar nicht so.
Mit hat Gran Torino auch mehr berührt als Slumdog Millionaire. Wie gesagt, letzterer war sicherlich nicht schlecht gemacht. Aber den Hype kann ich nicht ganz nachvollziehen.
Re: #741 Slumdog Millionaire
Verfasst: 2009-03-05 11:22
von Roughale
Leute, nehmt doch die Oscars nicht so ernst, das ist eine Welt für sich, klar, sie haben eine immense finanzielle Wirkung, aber wirklich bewertenden Charakter haben sie eher nicht, das sind nur Meinungen der Jurymitglieder und Meinungen sind wie ... ihr wisst schon
Schon alleine Gran Torino mit Slumdog Millionaire zu vergleichen, ist abwegig, unterschiedlicher können Filme doch eigentlich gar nicht sein, mir haben beide gleich gut gefallen, nämlich absolut top! Der eine zeigt einen alten Mann in seiner immer fremder werdenden Heimat und der andere zeigt uns ein fremdes Land in einer uns leichter zu rezeptierenden Sichtweise - beide erreichten viel und waren einfach grandios. Ich benötige keinen Vergleich, der wird uns doch blos von den Marktschreiern aufgedrückt "Wir sind besser - lass dein Geld bei uns!" - davon versuche ich mich zu lösen, der Obeflächlichkeit, die uns aufgedrückt werden soll, beuge ich mich sowenig es geht! Das mag jetzt hochgestochen klingen, aber denkt mal darüber nach, denn Denken ist geiler als Geiz
Re: #741 Slumdog Millionaire
Verfasst: 2009-03-06 21:31
von Cordelia
Muuhkuuh hat geschrieben:
Meiner Meinung nach ist es an sich ein guter Film, der aber auch Zuschauern die nicht zu lange mit traurigem Kram belastet werden wollen, gefallen will. Aber vielleicht ist das auch ein wenig die „Magie“ des Films, man hat nie das Gefühl den Film aushalten zu müssen, wird stattdessen von den etwas sehr sorglosen Hauptdarstellern durch die bittere Szenerie getragen. Es mag durchaus makaber klingen, aber man wird während des gesamten Films unterhalten und, zu einem nicht unerheblichen Anteil, amüsiert.
Hm, das ist sicherlich auch Ermessenssache... klar waren auch unterhaltsame Stellen dabei, aber ich fand die Gesamtatmosphäre doch eher bedrückend und eher deprimierend... Also ich finde, die schlimmen Szenen haben ganz schön lange nachgewirkt (vor allem die ganze Waisenheim-Geschichte) und die "fröhlichen" Teile trotzdem überschattet. Allerdings bin ich vielleicht auch zu sensibel bei solchen Filmen.
Das Ende fand ich aber großartig, ich liebe solche dramatischen Szenen