Hallo allerseits,
da haben sich dann ja doch noch Leute gefunden, die den Thread eröffnen.
Mir hat "Juno" auch gut gefallen, ich habe mich im Endeffekt zu einer Zwei entschieden. Für eine Eins war das Drehbuch von Diablo Cody (ihr eigener Künstlername ist eigentlich wesentlich abgefahrener als der ihrer Hauptfigur
) dann doch etwas zu spannungs- und konfliktarm, aber die Idee, eine Story über eine ungewollte Teenager-Schwangerschaft ausgerechnet als Komödie zu realisieren ist ebenso mutig wie konsequent umgesetzt und wird durch sehr starke Dialoge und eine erstklassige Schauspielerriege ohne Schwächen noch verbessert.
Schauspieler und Dialoge sind die beiden Fortes von "Juno", dem zweiten Spielfilm von Regisseur Jason Reitman (sein Erstling "Thank You For Smoking" sorgte 2006 in der Sneak #611 für Applaus und Gelächter). Die Dialoge sind voller kleiner One-Liner, Anspielungen und Wortbildern und erreichen dabei eine Art Hyper-Realismus: natürlich reden normale Leute nicht so, aber der Kern des Gesprochenen ist immer glaubwürdig und passend zu den Charakteren. In dieser Hinsicht könnten die meisten Sitcom-Schreiber von Diablo Cody eine Menge lernen - man muß Personen nicht absurd handeln und reden lassen, um Lacher zu erzeugen.
Es hilf dabei natürlich, daß man für jede Rolle Schauspieler gefunden hat, die sowohl die One-Liner als auch die ernsthaften Emotionen einwandfrei rüberbringen können - was auf der Leinwand sicherlich einfacher aussieht, als es tatsächlich ist, denn zunächst wirkt jeder Charakter von "Juno" etwas oberflächlich bis einseitig, was den Zuschauer dazu verführt, die Figuren in Schubladen zu stecken; so ist Juno selbst fast die prototypische "alte Seele" im Teenagerkörper, der Kindsvater ist ein schüchterner Nerd, die Stiefmutter Gesundheitsfreak, der Vater ein simples Gemüt, die mögliche Adoptivmutter ein Control Freak und Workaholic und der Adoptivvater in Spe ein Junggebliebener.
Im Laufe von Junos Schwangerschaft jedoch offenbart jeder Charakter noch andere, zum Teil ziemlich überraschende Seiten, und es liegt an den Schauspielern, daß die Figuren trotzdem glaubwürdig bleiben. Im Zentrum steht hier natürlich Ellen Page als Titelfigur (die schon in #603 "Hard Candy" eine blendende Leistung ablieferte), aber auch Jennifer Garner hat mich ziemlich positiv überrascht - ihre letzten Werke wie "Catch and Release" oder "The Kingdom" haben sie nicht gerade wie eine Charaktermimin wirken lassen - und Michael Cera könnte sich zu einem der kommenden Stars in Hollywood entwickeln. Andere wie J.K. Simmons oder Alison Janney stehen dabei nicht hintan und liefern wie erwartet Klassearbeit ab.
Insgesamt ist "Juno" einfach unheimlich unterhaltsam - es macht Spaß der Protagonistin auf dem Weg durch die Schwangerschaft (und zu einigen weiteren Erkenntnissen) zuzuschauen und zuzuhören, und es wird nie langweilig. Deswegen ist dies trotz kleinerer Schwächen ein starker, guter Film, ein später, aber verdienter Eintrag für die Jahres-Top5 der Grindelsneak.
Gruß
Kasi Mir