Hallo allerseits,
dann kann ich den (bisherigen) Schnitt ja sogar heben - ich gebe "Ray" nämlich eine grundsolide Drei, nicht mehr und nicht weniger. Ich sollte dabei vielleicht vorwegschicken, das R&B, Jazz und Gospel - Charles' musikalische Haupteinflüsse - nicht gerade zu meinen Lieblingsgenres gehören.
Nicht weniger allein schon deswegen, weil die - bereits als todsicherer Oscar-Tip gehandelte - Darstellung von Ray Charles durch Jamie Foxx tatsächlich den Hype wert ist, den sie verursacht hat. Der Ex-Comedian Foxx hätte sich nicht besser als Charakterschauspieler etablieren können (schon seine letzte Arbeit in "Collateral" war ja vielversprechend) als mit dieser Rolle. Er spielt Ray Charles so perfekt, daß der Schauspieler völlig hinter der Darstellung verschwindet - soweit das ein Außenstehender überhaupt beurteilen kann
ist er einfach Ray Charles.
Diese beeindruckende Leistung verdeckt gerade in der ersten Stunde viele der Schwächen des Filmes - denn Regisseur und Co-Autor Taylor Hackford wirkt über weitere Strecken unentschlossen, ob er ein Biopic oder doch eher einen Musikfilm machen will. So zeigt er Performances mal fast in voller Länge, dann wieder nur Ausschnitte oder nutzt diese nur als Hintergrundrauschen, ohne daß dabei ein wirkliches System erkennbar wäre. Oft dienen die Auftritte nur dazu, etwas in der Musik zu schwelgen - für einen Musikfilm wäre das vollauf in Ordnung, und eine Musikerbiographie ohne Musikauftritte wäre wohl auch ziemlich sinnlos, doch "Ray" will uns ja auch den Menschen Ray Charles präsentieren.
Und genau hier ist der Film eigentlich am schwächsten; schon Rays Motivationen bleiben oft im Unklaren. So beschränkt sich der Film darauf, das Spannungsverhältnis zwischen dem Ehemann und Familienvater und dem Lebemann und Ehebrecher zu präsentieren, ohne näher auf die Motivationen einzugehen. Ebenso wirkt Rays Art, langjährige Freunde und Geschäftspartner vor den Kopf zu stoßen und aus seinem Leben zu verbannen, fast schon bösartig egozentrisch - hier hätten mich Rays Beweggründe (abseits von "mehr Geld") schon interessiert, mehr jedenfalls als der x-te Musikauftritt oder das x-te Techtelmechtel mit seiner Geliebten. Insofern machte der Film enttäuschend wenig Gebrauch von dem Umstand, daß Ray Charles selbst über weite Strecken der Entwicklung dieses Projekts noch beratend zur Verfügung stand.
Weniger noch erfährt man über Rays Umfeld, die diversen Charaktere, mit denen er in den ersten 20 Jahren seiner Karriere zu tun hatte, werden meist nur grob mit ein oder zwei Stereotypen skizziert und bleiben letztendlich Pappkameraden, selbst so bekannte Zeitgenossen wie Quincy Jones sind wenig mehr als Fußnoten. So habe ich nach satten 142 Minuten "Ray" zwar viel über seine Musik und seinen Weg an die Spitze, aber wenig über Ray Charles selbst erfahren. Trotz der mitreißenden (wenn auch etwas ausschweifenden Musikdarbietungen und der tollen Leistung von Jamie Foxx kommt der Film damit IMHO über eine Drei nicht hinaus - diese hat er sich aber redlich verdient.
Dann wollen wir mal sehen, wie das Biopic-Jahr ("Ray", "Aviator", "De-Lovely", "Sylvia", "Beyond the Sea", "Kinsey" etc.) 2005 weitergeht.
Gruß
Kasi Mir