Hallo allerseits,
nachdem der Film hier ja tendentiell eher negativ aufgenommen wurde, kann ich immerhin zu einem größeren Gleichgewicht der Meinungen beitragen. Meiner Ansicht nach ist "Eternal Sunshine" der beste Sneakfilm, nein sogar der beste Film überhaupt, den ich seit "American Beauty" (am 7.1.2000) gesehen habe.Wenn man jetzt Marketingfachman wäre, könnte man daraus so eine Schlagzeile wie "der beste Film des 21. Jahrhunderts" machen, aber solch hohle Phrasendrescherei ist mir fremd.
Charlie Kaufman, der mit seinen Drehbüchern zu "Being John Malkovitch" und "Adaptation" schon bewies, daß er sich nicht vor abstrusen Ideen scheut und keine Skrupel hat, wenn es darum geht, sein Konzept umzusetzen, zeigt seine Kreativität und Originalität hier erneut, schafft aber noch mehr: im Kern von "Eternal Sunshine of the Spotless Mind" steckt eine weitestgehend klischeefrei und mit Herz und Verstand erzählte Liebesgeschichte. So etwas kann man in Hollywood üblicherweise mit der Lupe suchen.
Der Grundidee nach ist "Sunshine" ja eigentlich eine Science-Fiction-Story, doch im Gegensatz zu üblicherweise diesem Genre zugeordneten Werken verzichtet Regisseur Gondry auf große Effekte bei der Darstellung des Gimmicks - der Gedankenlöschung - sondern zeigt diese in der Art, wie alle Gebrauchstechnik in der Realität aussieht: profan, wenig beeindruckend, nur ein Helm, ein Monitor und ein paar Laptops.
Die eigentliche Trickkiste wird erst hervorgeholt, als der wie im Delirium durch seine eigenen Erinnerungen taumelnde Joel verzweifelt versucht, den Erfolg der selbst bestellten Löschungsprozedur zu verhindern und dabei doch nur wieder und wieder dem Ausradieren seiner Vergangenheit beizuwohnen. Dabei sind auch diese visellen Gimmicks organisch mit der Handlung verwoben und dienen dazu, das Geschehende zu untermalen, und nicht als Grafikdemo herzuhalten.
Und die Story ist es ja auch, die eigentlich zählt; während wir vordergründig Joels Quixote-gleichem Kampf gegen die Vergessenheit zuschauen, so ist das eigentliche Credo von Sunshine doch ein anderes: So sehr wir uns auch oft wünschen, uns an gewisse Dinge nicht zu erinnern und manches nie erlebt zu haben, so wäre die Erfüllung dieses Wunsches wohl doch ein größerer Fluch als die harte Realität, denn der Mensch lebt von seinen Erinnerungen, zehrt auch in dunkler Stunde von den schönen Momenten, erinnert sich gerne an vielleicht bessere Zeiten zurück - all dies geht einem verloren, wenn man Lebensabschnitte ohne Happy End einfach ausradiert - denn die schöne Zeit davor geht zwangsläufig ebenfalls verloren. Wenn man sich Joel nach der Behandlung ansieht, wie er trübsinnig und apathisch durchs Leben schleicht und ihn mit dem frühen Joel noch vor der Beziehung mit Clem vergleicht, weiß, wieviel da verlustig ging.
Außerdem hindert uns das Vergessen vergangener Fehler nicht daran, diese erneut zu machen, was uns die von Roughale gehaßte Episode mit der Sprechstundenhilfe klar machen will, denn die Menschen bleiben immer noch dieselben.
Roughale lehnt ja auch das Happy End des Filmes ab - ich sehe es gar nicht mal als Happy End, sondern als offenes Ende mit neuem Anfang. Offensichtlich sind Clementine und Joel dazu bestimmt, zusammen zu sein - ob es wissentlich der Unterschiede in den Charakteren nun besser laufen wird als zuvor, läßt der Film offen; aber allein der Versuch ist es, der zählt. Da der Film Alexander Pope zitiert, kontere ich an dieser Stelle einfach mit dem etwas jüngeren Alfred Tennyson:
Tis better to have loved and lost than never to have loved at all.
Kurz noch zu den Schauspielern: Carrey zeigt nach "Truman Show", "Man on the Moon" und "The Majestic" wieder einmal, daß er als Charakterdarsteller in Hollywood immer noch weit unter Wert gehandelt wird; aber auch der Rest des Casts - allen voran natürlich die patente Kate Winslet - spielen bis auf I-Tüpfelchen perfekt und komplettieren so ein brilliantes Filmwerk, das mich wieder daran erinnerte, warum ich eigentlich ein Filmfan bin.
Und eine lange Rede letztlich kurz zu machen: eine glatte Eins von mir.
So, Roughale; jetzt kannst Du mit den x-und-drölfzig Horror- und Fantasywerken kontern, die Du seit 2000 besser fandest als "Eternal Sunshine of the Spotless Mind".
Gruß
Kasi Mir